Photo: Felder bei Pogum/Ostfriesland
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Kommet, kommet, lasst uns gehn
1.) Kommet, kommet, lasst uns gehn,
Unsre Felder zu besehn.
Christus selber ist der Mann,
Der uns heißet schauen an,
Wie die Lilien auf der Weid
Herrlich stehen ohne Leid,
Tragen doch ein schönes Kleid.
2.) Gott, der diese Blumen schafft
Und denselben Kraft und Saft
Reichlich schenket alle Jahr,
Der will uns auch immerdar
So versorgen in der Welt,
Dass der Mensch hier Gut und Geld,
Speis’ und Kleider noch behält.
3.) Gott, der dir ja Seel’ und Leib,
Haus und Hof, Gut, Ehr’ und Weib
Schon vorlängst erteilet hat,
Wird auch ferner wissen Rat.
Hoff’ auf ihn mit freiem Mut,
Schaue was sein’ Allmacht tut:
Alles muss noch werden gut.
4.) Merke doch den Unterscheid:
Jedes Blumlein hat sein Kleid,
Dieses ist von Farben schön
Und sehr lieblich anzusehn,
Jenes aber steht nur schlecht.
In der Welt ist auch solch Recht:
Der heißt Herr und jener Knecht.
5.) Dieser trägt die Königskron’
Und besteigt den güldnen Thron,
Jener, als ein armer Mann,
Ziehet grobe Kittel an.
Der ist hoch und wohlgelehrt,
Wird deswegen sehr geehrt,
Jener wird kaum angehört.
6.) Bist du nun nach deinem Wahn
Nicht so prächtig angetan,
Auch viel leichter am Gewicht,
Neide drum den Nächsten nicht.
Spricht der Ton zum Töpfer auch:
Machest du mich zum Gebrauch
Etwa nur dem Staub und Rauch?
7.) Eigennutz verdirbt die Welt,
Sonst würd’ alles wohl bestellt.
Hat der Himmel dich geziert
Und mit Gaben ausstaffiert,
Ei, so sei den Blumen gleich,
Die der Neid nie machet bleich,
Sind sie schon von Farben reich.
8.) Lass uns auch den Ort besehn,
Wo die schönste Blumen stehn.
Unter diesem blauen Dach
Wachsen sie mit Ungemach,
Wind und Regen, Frost und Hitz’,
Hagel, Donner, Reif und Blitz
Decken oftmals ihren Sitz.
9.) Lieber Mensch, bedenk es wohl,
Sind nicht deine Tage voll
Trübsal, Jammer, Angst und Not,
Bis zuletzt der bleiche Tod
Gänzlich dich davon befreit
Und aus dieser kurzen Zeit
Führet hin zur Ewigkeit?
10.) Kommt ein Ungewitter her,
Welches überaus ist schwer,
Harr’ auf Gott, der Sonnenschein
Wird sich wied’rum stellen ein,
Dass die Wolken trennen sich.
Es gedenkt auch Gott an dich,
Hilft zuletzt ganz gnädiglich.
11.) Aber, o der kurzen Frist,
Die des Blumleins eigen ist!
Heute prangt es trefflich schön,
Morgen muss es schnell vergehn:
Mensch, wo bleibt doch deine Kunst,
Ehr’ und Reichtum, Glück und Gunst?
Alles wird nur Asch’ und Dunst.
12.) Ach, der Mensch ist schwach und weich,
Nicht den starken Bäumen gleich,
Sondern wie das Wiesengras,
Wird in einer Stunde blass.
So gar plötzlich und geschwind
Gilt ins Grab ein Menschenkind.
Unser Leben ist nur Wind!
13.) Weil du nun, mein lieber Christ,
Ein so zartes Blumlein bist,
Ei, was bist du denn bedacht,
Dich zu quälen Tag und Nacht
Um das eitle Gut und Geld?
Ach umsonst! In dieser Welt
Ist dir schon der Teil bestellt.
14.) Geht die Lilie gleich dahin,
Ist es doch nur ihr Gewinn,
Schöner wächst sie denn auf’s Neu,
Wenn der Frühling kommt herbei.
So der Mensch, das edle Tier,
Wird mit größrer Pracht und Zier
Kommen aus dem Grab herfür.
15.) Mein Herr Jesu, lass mich sein
Solch ein edles Blumelein,
Das der Lieb’ und Glauben voll
Blüh’ und rieche trefflich wohl,
Das auch künftig, englisch (a) schön,
Mög’ im Paradiese stehn,
Ewig, ewig dich zu sehn.
(a) engelhaft
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Der Text wurde von mir behutsam, soweit
es die Strophenform und der Endreim zu-
ließen, in heutiges Hochdeutsch übertragen
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Text: Johann Rist
Melodie: ohne Angaben
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gefunden in:
A. Fischer / W. Tümpel:
Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts,
Band 2, Hildesheim 1964.
Thema: Natur, Wetter und Schöpfung
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Johannes Rist, auch Johann (* 8. März 1607 in Ottensen (heute Stadtteil von Hamburg); † 31. August 1667 in Wedel in Holstein) war ein deutscher Dichter, Kirchenlieddichter und evangelisch-lutherischer Prediger.
Rist war der Sohn des aus Nördlingen stammenden evangelischen Pastors in Ottensen Caspar Rist und seiner Ehefrau Margarethe Ringemuth. Nach erstem Unterricht durch den Vater besuchte Rist das Johanneum in Hamburg; später dann das Gymnasium in Bremen.
An der Universität Rinteln studierte Rist Theologie u.a. bei Johannes Gisenius und Josua Stegmann. Um 1626 wechselte er an die Universität Rostock. Nach dem Studium ging Rist nach Hamburg zu seinem Rostocker Kommilitonen Ernst Stapel. Mit diesem schrieb und publizierte er Theaterstücke und trat auch selbst als Darsteller auf.
1633 wurde Rist Hauslehrer beim Landschreiber Heinrich Sager in Heide. Im gleichen Jahr verlobte er sich mit Elisabeth Stapel, der Schwester des früh verstorbenen Freundes Ernst Stapel und des Pinneberger Amtmanns Franz Stapel. Durch Hilfe des letzteren wurde er im Frühjahr 1635 zum Pastor im damals dänischen Wedel an der Unterelbe nahe Hamburg berufen. Kurz nach seinem Amtsantritt heiratete Rist seine Verlobte. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, von denen zwei früh verstarben.
Beim Einfall der Schweden unter General Lennart Torstensson im Torstenssonkrieg, während des Dreißigjährigen Krieges, verlor Rist durch Plünderungen seine wertvolle Bibliothek. Im Zweiten Nordischen Krieg verlor Rist 1658 noch einmal alles Hab und Gut und musste mit seiner Familie nach Hamburg flüchten. Nachdem 1662 seine Frau Elisabeth gestorben war, heiratete Rist zwei Jahre später Anna Hagedorn, geb. Badenhop, die Witwe seines 1660 verstorbenen Freundes Johann Philipp Hagedorn; sie starb 1680. Rist gründete um 1660 die literarische Vereinigung des Elbschwanenordens, der zu seiner Blütezeit 46 Mitglieder hatte. Von Rist sind über 700 geistliche Lieder bekannt, die zum Teil in evangelische Gesangbücher aufgenommen oder in Sammlungen veröffentlicht wurden. Im gegenwärtigen Evangelischen Gesangbuch stehen fünf Lieder von Rist, unter anderem sein bekanntes Passionslied ‘O Traurigkeit, o Herzeleid’.
Ab 1663 veröffentlichte Rist in lockerer Folge sechs Monatsgespräche, Dialoge über jeweils ein spezielles Thema: Januar – die Tinte; Februar – das Landleben, März – der Stein der Weisen, April – die Malerei, Mai – Lese- und Schreibkunst, Juni – die Todesbetrachtung. Nach Rists Tod wurden die restlichen sechs Monatsgespräche durch Erasmus Finx ergänzt. Johannes Rist starb hochgeachtet am 31. August 1667 im Alter von 60 Jahren in Wedel.
Johannes Rist gilt neben Paul Gerhardt als der bedeutendste protestantische geistliche Dichter des 17. Jahrhunderts.
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Johannes Rist (1607-1667) was a German poet and dramatist best known for the hymns he wrote. He was born at Ottensen in Holstein (today Hamburg) on 8 March 1607; the son of the Lutheran pastor of that place, Caspar Rist. He received his early training at the Johanneum in Hamburg and the Gymnasium Illustre in Bremen; he then studied theology at the University of Rinteln. Under the influence of Josua Stegman there, his interest in hymn writing began. On leaving Rinteln, he tutored the sons of a Hamburg merchant, accompanying them to the University of Rostock, where he himself studied Hebrew, mathematics, and medicine. During his time at Rostock, the Thirty Years War almost emptied the University, and Rist himself lay there for several weeks, suffering from pestilence.
In 1633 he became tutor in the house of Landschreiber Heinrich Sager at Heide, in Holstein. Two years later (1635) he was appointed pastor of the village of Wedel on the Elbe. The same year he married Elisabeth Stapel, sister of Franz Stapel, bailiff of nearby Pinneberg. They had 5 children, of whom 2 died early; Elisabeth died 1662. In 1664 he married Anna Hagedorn, born Badenhop, widow of his friend Phillipp Hagedorn. He died in Wedel on 31 August 1667.
Rist first made his name known to the literary world by a drama, Perseus (1634), which he wrote while at Heide, and in the next succeeding years he produced a number of dramatic works of which the allegory Das friedewünschende Teutschland (1647) and Das friedejauchzende Teutschland (1653) (new ed. of both by H. M. Schletterer, 1864) are the most interesting. Rist soon became the central figure in a school of minor poets. The emperor Ferdinand III crowned him laureate in 1644, ennobled him in 1653, and invested him with the dignity of a Count Palatine, an honor which enabled him to crown, and to gain numerous poets for the Elbschwanen order ("Elbe Swan Order"), a literary and poetical society which he founded in 1660. He had already, in 1645, been admitted, under the name Daphnis aus Cimbrien, to the literary order of Pegnitz, and in 1647 he became, as Der Rüstige, a member of the Fruchtbringende Gesellschaft ("Fruitbearing Society").